Die Frau, die vorausgeht – Blu-ray Kritik: Annäherung zweier Kulturen

Michael Greyeyes und Jessica Chastain in Die Frau, die vorausgeht
Michael Greyeyes und Jessica Chastain in Die Frau, die vorausgeht © Tobis Film

Die Kritik:

Die Frau, die vorausgeht - Blu-ray Cover
Die Frau, die vorausgeht – Blu-ray Cover © Tobis Film

Caroline Weldon ist vermutlich ein Name, der gerade hierzulande nur wenigen etwas sagt. Die Amerikanerin mit Schweizer Wurzeln war als Malerin, aber vor allem als Bürgerrechtlerin Ende des 19. Jahrhunderts in Amerika unterwegs, wo sie für die Rechte von unterdrückten und verdrängten Indianervölkern kämpfte. So reiste die in New York ansässige Frau alleine ins Dakota-Territorium, um den legendären Lakota-Häuptling Tatánka Íyotake, besser bekannt als Sitting Bull, zu portraitieren. Damit ist sie den amerikanischen Militärvertretern ein Dorn im Auge, denn diese sind gerade im Begriff das Landzuteilungsgesetz in Kraft zu setzen, das den Ureinwohnern noch größere Teile ihres Landes berauben soll als ohnehin schon geschehen. Doch Weldon entsetzt sich aller Widerstände und beginnt eine respektvolle Freundschaft mit Sitting Bull, die auch dazu führt, dass sie die Interessen der Indianer zunehmend aktiv unterstützt.

Die Geschichte Weldons ist der Inhalt von „Die Frau, die vorausgeht“, der ebenso auch „Die mit dem Wolf tanzt“ heißen könnte. Der Western der britischen Regisseurin Susanna White („Verräter wie wir“, „The Deuce“, „Boardwalk Empire“) ist solide und altmodisch inszeniertes Kino, das respektvoll, aber ohne wirkliche Überraschungen daher kommt. Der Film folgt nur lose der Original-Geschichte und benennt Weldon kurzerhand in Catherine um. Während die echte Weldon von ihrem Mann verlassen wurde, gibt das Drehbuch von Steven Knight („Kleine schmutzige Tricks“, „No Turning Back“, „Allied: Vertraute Fremde“) der Protagonistin eine noch stärkere Motivation aus New York in den Westen zu ziehen: Der Mann der Filmversion ist verstorben, was Weldon in einen trauernden, sich verloren fühlenden Zustand versetzt. Dass das reale Vorbild mindestens ein Kind hatte, kehrt der Film unter den Tisch. Scheidungen waren zu jener Zeit selten, so galt Weldon tatsächlich noch ein Stück mehr als eigensinnige und modern denkende „Frau, die vorausgeht“ als in der Filmversion. Außerdem war die reale Weldon bereits Mitglied der National Indian Defense Association, als sie nach Dakota reiste.

Jessica Chastain in Die Frau, die vorausgeht
Jessica Chastain in Die Frau, die vorausgeht © Tobis Film

Wie dem auch sei, „Die Frau, die vorausgeht“ ist in erwartungsgemäß schöne und authentische Bilder gehüllt und dürfte Fans von traditionell erzählten Old School-Western durchaus Freude machen. Doch natürlich liegt hier ein besonderer Kniff vor, denn Western mit weiblicher Hauptfigur sind dann doch eine Seltenheit: Vor kurzem durfte Natalie Portman im eher mittelmäßigen „Jane Got a Gun“ als Heldin agieren, legendär ist natürlich hingegen „Cat Ballou“ mit Jane Fonda als Rächerin ihres ermordeten Vaters, aber auch die beiden Versionen von „True Grit“ oder „The Missing“ beziehungsweise „The Homesman“ dürfen hier durchaus als gelungene Genrevertreter genannt werden. Doch Whites Film ist ein weit ruhigerer, melancholischerer und weniger reißerischer Film, der viel mehr den Fokus auf Völkerverständigung und respektvolles Miteinander zwischen verschiedenen Kulturen setzt.

Das hat man so natürlich wiederum schon recht häufig gesehen, dennoch lässt sich nicht bestreiten, dass White hier ein insgesamt sehenswerter Film gelungen ist. Das liegt vor allem jedoch weniger an der Protagonistin, sondern ihrem gewählten Subjekt, dem Lakota-Häuptling Sitting Bull. Jessica Chastain ist gut wie immer in der Rolle der eigensinnigen Malerin und Aktivistin Weldon, jedoch ist es der Cree-Indianer Michael Greyeyes, der in der ikonischen Rolle des Sitting Bull das Highlight des Films darstellt. Sein anmutig, würdevoll, in sich ruhend und charismatisch portraitierter Gentleman-Häuptling ist wirklich eindrucksvoll, sodass man kaum die Augen von ihm nehmen kann. Die subtile Freundschaft zwischen Weldon und Bull, der zum Zeitpunkt des Films schon fast 60 ist (Greyeyes hingegen ist erst 50) und bereits viele Schlachten geschlagen hat, entfaltet sich langsam und in angenehm leisen Zwischentönen.

Michael Greyeyes und Jessica Chastain in Die Frau, die vorausgeht
Michael Greyeyes und Jessica Chastain in Die Frau, die vorausgeht © Tobis Film

Abgesehen von manchen Momenten, die dann arg emotional manipulativ und aufgesetzt wirken, gefällt die ruhige und eher nach innen gewendete subtile Erzählweise dieses schönen, wenn auch unspektakulären Films. Neben Chastain und Greyeyes darf auch die sehr gute restliche Besetzung genannt werden, die unter Anderem aus Sam Rockwell als ambivalenter Colonel Silas Grove, Ciarán Hinds als befehlshabender Offizier James McLaughlin (der Sitting Bulls Verhaftung und die Halbierung von Lebensmittelrationen der Indianer angeordnet hat) und dem indianischen Polizisten Chaska (Chaske Spencer) besteht. White inszeniert den Film detail- und einsichtsreich, wodurch Geschichte hier meist unsentimental lebendig gemacht wird, auch wenn letztlich einiges an historischem Kontext auf der Strecke bleibt.

Bild:

Die Bildqualität des digital auf Arri Alexa XT aufgezeichneten Films überzeugt auf Blu-ray mit oft majestätisch schönen Western-Panoramen, die in natürlicher, aber lebendiger Farbvielfalt wiedergegeben werden. Kontraste und Schwarzwerte sind auf sehr gutem Niveau, auch wenn es hier und da leicht rauschen kann. Gerade in hellen Szenen gefällt der Schärfeumfang mit hoher Detailfreudigkeit.

Ton:

Sam Rockwell in Die Frau, die vorausgeht
Sam Rockwell in Die Frau, die vorausgeht © Tobis Film

In akustischer Hinsicht überzeugt die Blu-ray von „Die Frau, die vorausgeht“ mit einer überraschend lebhaften und dynamischen Tonspur, die durchaus häufig Atmosphäre aufkommen lässt. So ertönen auf den Surroundsprechern schon recht früh hin und her summende Fliegen, später ist es beispielsweise an Türklopfen oder Stimmen, die sich auf den hinteren Boxen hörbar machen. Die Stimmen sind sehr präsent und verständlich abgemischt, während die Tonspur dieses insgesamt sehr ruhigen Films durchaus auch mal dynamisch und der Subwoofer voluminös werden kann.

Extras:

Beim Bonusmaterial wird Standardware geboten, die kein Licht auf die historischen Hintergründe des Films wirft. So finden sich neben einem kurzen Blick hinter die Kulissen ein paar handelsübliche EPK-Interviews und Trailer.
B-Roll (03:36 Min.)
Bildergalerie (02:00 Min.)
Deutscher Trailer (02:21 Min.)
Originaltrailer (02:18 Min.)
Interviews (Jessica Chastain (02:32 Min.), Michael Greyeyes (03:08 Min.), Susanna White (02:31 Min.), Sam Rockwell (04:55 Min.))

Blu-ray Wertung
  • 6.5/10
    Film - 6.5/10
  • 8.5/10
    Bild - 8.5/10
  • 8.5/10
    Ton - 8.5/10
  • 3.5/10
    Extras - 3.5/10
6.8/10

Kurzfassung

Die Frau, die vorausgeht“ ist ein ruhiger und recht unspektakulärer Western über die Annäherung zweier Kulturen, dessen Stärke in den subtileren Tönen liegt.

Fazit:

Regisseurin Susanna White inszeniert mit „Die Frau, die vorausgeht“ einen inhaltlich eher unkonventionellen Western, der nicht nur eine Frau als Protagonistin, sondern in seiner ruhigen Machart mehr an progressiven und moderneren Idealen interessiert als manch anderer Vertreter. Auch wenn seine ruhige Machart gefällt, bleibt der Film jedoch etwas zu seicht, um wirklich vollends mitzureißen.


von Florian Hoffmann

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht. (Kommentar wird erst geprüft)


*