Die Berufung – Ihr Kampf für Gerechtigkeit: Blu-ray Kritik zum Biopic über RBG

Ruth Bader Ginsburg (Felicity Jones).
Ruth Bader Ginsburg (Felicity Jones). © 2018 eOne Germany

Die Kritik:

Es erklingen heroisch-patriotische Klänge. Männer in dunklen Anzügen marschieren in Zeitlupe und im Gleichschritt zur Arbeit. Doch dann wird dieses Bild der geregelten Uniformität gebrochen, denn inmitten des maskulinen Establishments schreitet ein Farbfleck in strahlendem Blau hindurch: Es ist Ruth Bader Ginsburg, die hier im Jahr 1956 auf ihrem Weg zur Harvard Law School ist, wo sie nur eine von neun Frauen inmitten von 500 männlichen Studenten war. Ein effektives, wenn auch offensichtlich symbolisch aufgeladenes Bild, das dieses solide, wenn auch formelhafte Biopic eröffnet.

Die Berufung - Ihr Kampf für Gerechtigkeit -Blu-ray Cover
Die Berufung – Ihr Kampf für Gerechtigkeit -Blu-ray Cover © Entertainment One

Dieser Persönlichkeit ist etwas gelungen, was wohl nur wenige Juristen geschafft haben: Ginsburg entwickelte sich zur unfreiwilligen Popkultur-Ikone, die gerade von jüngeren, gerade linksliberalen Generationen zum schillernden Symbol für Gerechtigkeit und Gleichberechtigung herauf stilisiert wurde. So wird die 86-jährige Richterin des obersten Gerichtshofs nicht nur mittlerweile „The Notorious R.B.G.“ (nach Rap-Ikone Notorious B.I.G.) genannt, ihr Konterfei ziert auch T-Shirts, Kaffeetassen, Tattoos, sogar Actionfiguren werden von ihr gefertigt. Fast zeitgleich erschienen dann passenderweise auch filmische Abhandlungen über diese Ikone der Gleichberechtigung: Einmal der Oscar-nominierte Dokumentarfilm „RBG – Ein Leben für Gerechtigkeit“ und dann das Prestige-Biopic „Die Berufung – Ihr Kampf für Gerechtigkeit“ mit Felicity Jones in der Hauptrolle.

Wie auch der Dokumentarfilm ist „Die Berufung“ altmodisch-konventionell inszeniert und erzählt. Regisseurin Mimi Leder, die einst mit Actionkost wie „Deep Impact“ oder „Projekt: Peacemaker“ sich selbst einen Weg in ein maskulin dominiertes Hollywood gebahnt hat, nimmt sich hier völlig zurück und fokussiert sich ganz und gar auf eine traditionelle Erzählweise und ihre sehr guten Schauspieler. Wie auch „RBG“ schildert Leder mit Drehbuchautor Daniel Stiepleman das Leben der ruhigen und unscheinbaren Powerfrau anhand ihres Aufstiegs in einer männerdominierten juristischen und politischen Welt, lässt aber auch viel Platz für die außergewöhnlich harmonische Beziehung zu ihrem Mann Marty, der ihr bis zu seinem Tod 2010 stets zur Seite stand.

Bot „RBG“ jedoch einen 94-minütigen Schnelldurchlauf durch diverse wichtige Stationen in der Karriere der Juristin, fokussiert sich „Die Berufung“ mehr auf einen Schlüsselprozess, der ihren Weg als Kämpferin für Gleichberechtigung ebnete und ihr Respekt im Establishment verschaffte. Zunächst zeigt der Film aber ihren ersten Kampf beim Studium der Rechtswissenschaften in Harvard. Schon hier musste sich Bader Ginsburg gegen Geschlechtsdiskriminierung zu Wehr setzen. Beleidigungen von Uni-Angestellten oder sogar der sexistische Konfrontationskurs von Dekan Erwin Griswold (Sam Waterston) waren an der Tagesordnung. So fragt Griswold bei einem Dinner etwa die anwesenden Studentinnen, wie sie es rechtfertigen, in Harvard zu studieren, während ein Mann ihre Position hätte einnehmen können. Ausgleich angesichts des anstrengenden Uni-Alltags bietet ihr ihr Ehemann Marty (Armie Hammer), der selbst Jura studiert und sich auf dem sicheren Weg in eine Juristen-Karriere befindet.

Mel Wulf (Justin Theroux) und Ruth Bader Ginsburg (Felicity Jones).
Mel Wulf (Justin Theroux) und Ruth Bader Ginsburg (Felicity Jones). © 2018 eOne Germany

Fast aus der Balance geworfen wird sowohl Ruths als auch Martys aufstrebende Karriere, als er an Hodenkrebs erkrankt. Doch nicht nur studiert Ruth weiter, sie organisiert auch das Unterrichtsmaterial für ihren Mann und sorgt fast alleine für ihre gemeinsame Tochter Jane. Die Schilderung dieser außergewöhnlich progressiven Beziehung ist sicher das Herzstück des Films. Anders als man es von der portraitierten Ära erwarten könnte, ist diese Ehe gleichberechtigt und von gegenseitigem Respekt geprägt. Marty ermutigt und unterstütz seine Frau zu jeder Zeit, ohne auch nur ansatzweise an die herkömmliche Rollenverteilung dieser Ära einen Gedanken zu verschwenden.

„Die Berufung“ macht schließlich einen zeitlichen Sprung: RBG hat entgegen aller Widerstände ihren Abschluss mit Bestleistung gemacht, doch ihre berufliche Perspektive entspricht trotz ihrer langjährigen Professur an der Rutgers Law School auch im Jahr 1970 noch nicht so aus, wie sie es sich wünschen würde. Für ihre Agenda, die das Durchbrechen von Barrieren und den Kampf für Gleichberechtigung für Frauen und auch alle anderen beinhaltete, konnte sie sich dann schließlich, wenn auch nur theoretisch, mit ihrem Kurs über Geschlechterdiskriminierung hervortun.

Als Martin ihr schließlich den Fall von Charles Moritz (Chris Mulkey) nahebringt, sieht sie ihre große Chance, endlich etwas auf großem Niveau zu ändern: Moritz, der nie verheiratet war, erhielt anders als verheiratete Frauen keine Steuerminderung bei der Beschäftigung einer Pflegekraft für seine Mutter, die er benötigte, um weiter arbeiten zu können. Sollte hier ein Fall von Geschlechterdiskriminierung vorliegen, könnte dies zur Folge haben, dass auch die allgemeine Rollenverteilung von Männern und Frauen auf Gesetzesebene hinterfragt wird. Doch wie nicht anders zu erwarten, liegt vor Ginsburg angesichts ihres Geschlechts ein scheinbar aussichtsloser Kampf…

Ruth Bader Ginsburg (Felicity Jones)
Ruth Bader Ginsburg (Felicity Jones) © Entertainment One

Leders Film thematisiert ein wichtiges Sujet und ist ganz offensichtlich wohlmeinend, als sonderlich packend erweist sich dieses insgesamt recht biedere, polierte und flache Biopic aber nicht. Zu trocken sind die juristischen Diskussionen und Vorgänge, die zu dem finalen Prozess führen, zu formelhaft und glatt die Inszenierung. „Die Berufung“ bietet allenfalls solide und durchaus intelligente Unterhaltung mit offensichtlicher zeitgemäßer Agenda, die erwartungsgemäß didaktisch und pädagogisch wertvoll vorgetragen wird. Auch wenn das Ganze ziemlich durchschaubar und wenig subtil ist, überzeugen die engagierten Darsteller, während vor allem das Finale vor dem Berufungsgericht sich dann trotz aller Konventionalität doch als recht mitreißend erweist. Einen besondereren Film hätte diese wichtige Frau dennoch verdient.

Bild:

„Die Berufung“ wurde digital auf Arri Alexa aufgezeichnet. Dennoch fällt der Look des Films angenehm warm, texturiert und filmisch aus. Die wenig außergewöhnliche, aber sehr ansehnliche Ästhetik verortet den Film passend in der jeweils dargestellten Zeit. Bei der Farbpalette dominieren klar warme Töne, wobei hier auch immer wieder knalligere Farben bewusst herausstechen. Der Kontrastwert erweist sich ebenfalls als stark und akzentuiert die Farben mit intensiver Sättigung. Schärfe und Details bewegen sich immer auf hohem Niveau, während gerade Nahaufnahmen besonders glänzen.

Ton:

Kathy Bates als Anwältin Dorothy Kenyon.
Kathy Bates als Anwältin Dorothy Kenyon. © 2019 eOne Germany

„Die Berufung“ ist der erwartungsgemäß dialoglastige und frontbasierte Film. Dennoch gibt es hier immer wieder Platz für schöne Dynamik und diverse raumfüllende Musiksequenzen, die die mitreißende Qualität des Films schön akzentuieren. Stimmen und Dialoge sind klar priorisiert und in beiden Tonspuren klar und verständlich abgemischt.

Extras:

Das Bonusmaterial der Blu-ray fällt eher dürftig aus. Hier gibt es lediglich drei solide Standard EPK-Featurettes zu sehen, die aufgrund der kurzen Laufzeit natürlich kaum in die Tiefe gehen können.
• Making of (06:24 Min.)
• Martin & Ruth: Liebe auf Augenhöhe (03:04 Min.)
• (03:04 Min.)

Blu-ray Wertung
  • 6/10
    Film - 6/10
  • 8.5/10
    Bild - 8.5/10
  • 8.5/10
    Ton - 8.5/10
  • 3.5/10
    Extras - 3.5/10
6.5/10

Kurzfassung

Formelhaft und konventionell erzählt und inszeniert. Überraschungen bleiben hier aus.

Fazit:

„Die Berufung – Ihr Kampf für Gerechtigkeit“ handelt von wichtigen und zeitgemäßen Themen, ist aber formelhaft und konventionell erzählt und inszeniert. Überraschungen bleiben hier aus, gerade angesichts seiner wegbereitenden Hauptfigur hätte man einen mutigeren und außergewöhnlicheren Film erwarten dürfen.


von Florian Hoffmann

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht. (Kommentar wird erst geprüft)


*