Der Spitzenkandidat – Blu-ray Kritik

Hugh Jackman in Der Spitzenkandidat
Hugh Jackman in Der Spitzenkandidat © 2018 Front Runner, LLC. All Rights Reserved.

Die Kritik:

Der Spitzenkandidat: Blu-ray Cover
Der Spitzenkandidat: Blu-ray Cover © Sony Pictures Entertainment

Das heutzutage das Privatleben von Politikern in der Klatschpresse steht oder jedes noch so diskreditierende Geheimnis ans Tageslicht kommt, ist Normalität geworden – wie die jüngsten Ereignisse auch zeigen. So war das allerdings nicht immer und wie der Film zeigt, erachtete man solche Geschichten als für den Leser uninteressant. Daher sind bekannte Fehltritte oder Eskapaden entweder auf den hinteren Seiten; meistens aber gar nicht erst zu Papier gebracht worden.
Das änderte sich blitzartig während des Wahlkampfs 1988, als der als Favorit gehandelte und titelgebende SPITZENKANDIDAT Gary Hart (sehr gut dargestellt von Hugh Jackman) durch einen privaten Skandal ins Stolpern geriet. Dass der Vorzeigepolitiker und Familienvater, der von der Moral und dem Familienleben predigt, eine Affäre mit einer jungen Frau hat, geriet an die Öffentlichkeit und wurde ausgiebig ausgenommen, so dass die Spitzenposition in nur wegen Wochen zum Scheitern verurteilt war.

Regisseur Jason Reitman („Tully“) hatte bei seinem Regiedebüt „Thank you for Smoking“ bereits Politikerfiguren in Szene gesetzt, allerdings waren diese zum einen fiktiv und der Film selber vor allem satirischer Natur. Mit DER SPITZENKANDIDAT führt er nun sehr ruhig und sachlich durch die Geschehnisse und zeigt vor allem nicht nur eine Seite der Medaille, sondern gewährt Einblicke aus verschiedenen Perspektiven auf die Begebenheiten. Dabei ergreift er für keine der beiden Seiten Partei und überlässt es dem Zuschauer sich selber ein Bild von der Situation zu machen. So ist einerseits Gary Hart nicht das zu Unrecht beschuldigte Opfer, aber seine Verhaltensweise ist menschlich genug dargestellt, dass man gewiss nicht Mitleid für ihn empfindet, das Leid aber, dass die Situation und die Folgen daraus für ihn und seine Familie mit sich bringen, verstehen kann. Auf der anderen Seite sind die Journalisten nicht die Bösewichte, die den armen Politiker irgendeiner nicht stattgefundenen Tat bezichtigen, wiederum sie aber auch nicht diejenigen, die wie im Film „Spotlight“, der Welt die Augen geöffnet haben für etwas, dass absolut nicht zu akzeptieren ist.

Hugh Jackman in Der Spitzenkandidat
Hugh Jackman in Der Spitzenkandidat © 2018 Front Runner, LLC. All Rights Reserved.

So beleuchtet Reitman das menschliche Wesen, das nicht nur schwarz und weiß ist, sondern sich häufig in Grauzonen bewegt. Dadurch wird DER SPITZENKANDIDAT zugegeben dann letzten Endes so ausführlich und emotionslos dargestellt, dass es einem im Hinblick auf die Charaktere schwerfällt mit diesen mit zu fiebern. Die Folge daraus ist, dass sich die Handlung sehr träge vorwärtsbewegt und es ihr überwiegend an Spannung mangelt. Der Verlauf des Skandals mag hier und da interessant verlaufen, fühlt sich aber ohne Empathie für die Menschen wenig ergreifend und dann doch sehr belanglos an.

Hugh Jackman spielt den Präsidentschaftskandidat Gary Hart mit einer äußerst präsenten Ausstrahlung, die ihn auch wie einen SPITZENKANDIDAT wirken lässt. Beim anschließenden Absturz fehlt es meiner Meinung nach allerdings an genügend Tiefe und so wirkte er auch schon ab Mitte des Films äußerst mürrisch und engstirnig, obwohl er noch gar nicht für irgendetwas in Missgunst gerät. Das kann natürlich entsprechend zur Figur passen und phasenweise blitzt auch sein Talent auf, aber auch nicht so überragend, dass man dafür eine Nominierung für irgendeinen Preis erwarten dürfte – weder Oscar noch goldene Himbeere. Die weiteren Charaktere bekommen im Gegensatz zu Gary Hart leider nicht genug Screentime, als dass ihre Darstellung in Erinnerung bleiben würde oder eine gewisse Tiefe erreichen könnte. Dies ist besonders schade, da beispielsweise Alfred Molina („Spider-Man 2“, „Duell der Magier“) zweimal kurz auftritt und wieder so plötzlich verschwindet, wie er überraschend erschienen ist.

Hugh Jackman in Der Spitzenkandidat
Hugh Jackman in Der Spitzenkandidat © 2018 Front Runner, LLC. All Rights Reserved.

Zwei Schauspieler konnten sich der wenigen Screentime zum Trotz, dennoch gewohnt stark präsentieren: Zum einen kann Vera Farmiga („The Conjuring“, „Up in the Air“) als Lee, die Ehefrau von Gary Hart, die ihr zur Verfügung stehende Zeit perfekt ausnutzen. So spielt sie die Frau, deren Gefühle durch die Affäre ihres Mannes zwar verletzt werden, aber dennoch nie das Klischeebild einer entwürdigten Frau einnimmt und stattdessen mit einer besonnenen Zurückhaltung und ausgewogenen Verletzlichkeit, Selbstbeherrschung ausstrahlt und so besonders wirkungsvoll auftrumpft.

Zum anderen wäre da noch Oscarpreisträger J.K. Simmons (als bester Nebendarsteller in „Whiplash“), der als Harts Berater ebenfalls nicht genügend in Erscheinung treten kann, dennoch ebenfalls in der kurzen Zeit den Zuschauer sich an seinem Können erfreuen lässt. So schafft er es abermals Dialoge in einer ruppigen Eigenart vorzuführen, die nur bei ihm gleichermaßen energisch wie der Situation geschuldet witzig erscheinen.

Bild:

Das Bild ist bewusst auf alt gefiltert. Das wird einem früh bewusst, wenn das alte 80er Jahre Columbia Pictures Logo im Vorspann läuft.

Ton:

Der Ton ist nicht besonders hervorstechend. Besonderheit ist die Vielfalt an Sprachen, die zur Auswahl stehen.

Extras:

Die Extras sind recht spärlich. Es gibt lediglich die Kommentarfunktion der Filmemacher, sowie die Features „Das Ende eines Kandidaten“, dass 15 Minuten geht und in dem die Person Gary Hart und der Niedergang thematisiert wird, und drei „Entfallene Szenen“, die insgesamt vier Minuten gehen.

Blu-ray Wertung
  • 6/10
    Film - 6/10
  • 7/10
    Bild - 7/10
  • 6/10
    Ton - 6/10
  • 4/10
    Extras - 4/10
6/10

Kurzfassung

DER SPITZENKANDIDAT ist ein beinahe dokumentarischer und nahezu objektiver Blick auf den ersten Fall der amerikanischen Geschichte als die Presse das Privatleben eines Politikers auseinandergenommen hat.

Fazit:

DER SPITZENKANDIDAT ist nicht der erhofft spannende Politthriller, den ich erwartet habe, kann aber dank eines guten Hugh Jackman und einer weitestgehend interessanten Handlung überzeugen. Diese wird nahezu objektiv gehalten, damit der Zuschauer sich selber ein Bild machen kann.


von Christian Willach

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