Colossal – Blu-ray Kritik: Einer der irrwitzigsten Filme des Jahres

Gloria (Anne Hathaway)
Gloria (Anne Hathaway) © Universum Film

Die Kritik:

Colossal Blu-ray Cover
Colossal Blu-ray Cover © Universum Film

Colossal“ darf zweifelsfrei zu den irrwitzigsten und originellsten Filmen des Jahres gezählt werden – auch wenn es hierfür wieder mal keinen deutschen Kinostart, sondern nur eine Heimkinoauswertung gab. Nachdem sich der Spanier Nacho Vigalondo mit cleveren und unkonventionellen Filmen wie „Timecrimes“ oder „Extraterrestrial“ einen Namen unter Kennern gemacht hat, liefert er hier nun seinen bislang wohl aufwändigsten Film. Hierfür konnte er eine starke Darstellerriege gewinnen, die von Anne Hathaway, Jason Sudeikis und Dan Stevens angeführt wird. Vigalondo bombardiert den Zuschauer mit einem wahnwitzigen Genremix, der sich nahtlos zwischen unterschiedlichen Tonalitäten bewegt und bis zum Schluss überraschend und unvorhersehbar bleibt. Am ehesten lässt sich „Colossal“ wohl als existenzialistisches und psychologisches Drama beschreiben, das von absurd-farceartigen Momenten gesäumt ist und dabei im Hintergrund ein gigantisches Monster über Seoul herfallen lässt.

Die ersten Bilder von „Colossal“ lassen erst mal – gerade wenn man den Film ohne jedes Vorwissen sieht – einen Monsterfilm vermuten. Hier beobachtet ein asiatisches Mädchen, wie im Hintergrund ein riesiges Monster, das an Godzilla erinnert, durch die Gegend läuft. Ohne jede Erklärung für diese irritierende Erscheinung springt der Film 25 Jahre in die Gegenwart und präsentiert blockbusterwürdige Bilder von New Yorks Skyline, die zu Bear McCrearys epischer Musik einen entsprechen Film erwarten lassen. Doch stattdessen landen wir im schicken Apartment von Tim (Dan Stevens), der sich nach einer weiteren Eskapade seiner Freundin Gloria (Anne Hathaway) endgültig von ihr trennt. Die arbeitslose Autorin, die zudem unter einem ernsthaften Alkoholproblem leidet, entscheidet sich dazu, zurück in ihr verschlafenes Heimatörtchen in New Hampshire zu ziehen. Dort trifft sie auf ihren alten Freund aus Kindheitstagen Oscar (Jason Sudeikis), der die Bar seines verstorbenen Vaters übernommen hat und eine recht gelangweilte Existenz führt. Oscars Begrüßung für Gloria ist warmherzig, so dauert es nicht lange, bis die alte Freundschaft wieder aufkommt und Gloria anfängt, in der Bar zu arbeiten. Doch das Leben aller Beteiligten, darunter auch Oscars Freunde Joel (Austin Stowell) und Garth (Tim Blake Nelson), gerät gründlich aus den Fugen, als das zu Beginn gesehene Kaiju-artige Riesenmonster immer wieder über Seoul herfällt. Richtig wahnwitzig wird es allerdings erst, als Gloria feststellt, dass sie mehr mit dem Monster zu tun hat, als ihr lieb ist…

Gloria (Anne Hathaway) und Oscar (Jason Sudeikis)
Gloria (Anne Hathaway) und Oscar (Jason Sudeikis) © Universum Film

Zuviel möchte man nicht über diesen exzentrischen Film verraten, denn es sind die Überraschungen, die aus „Colossal“ eine derartig irritierende und außergewöhnliche Erfahrung machen. Als erfahrener Filmschauer fragt man sich natürlich direkt, ob in diesem Szenario überhaupt alles real ist, was man präsentiert bekommt. Vigalondo gibt einem nämlich das Gefühl, das in diesem sonderbaren Film alles passieren kann. Es sei jedoch so viel verraten, dass „Colossal“ seinen Fokus auf das sehr menschliche Drama seiner beiden Hauptfiguren Gloria und Oscar legt. Alles was darum geschieht, also die Science-Fiction-Elemente, die sich im Hintergrund abspielen, darf man als interessantes allegorisches Mittel deuten. Hier bietet der Film auch einige sehr amüsante Momente, die durch ihre Skurrilität überraschen und für eine spannende erzählerische Dynamik sorgen. Welche Metaphern und Allegorien man in diesem ambivalenten Szenario entdecken kann, überlässt Vigalondo dem Zuschauer weitestgehend selbst. Der Monster-Hintergrund spiegelt jedenfalls die psychologischen Konflikte wieder, die die beiden Protagonisten miteinander ausmachen. Themen, wie die Verantwortung über den weitläufigen Effekt eigener Handlungen hat man jedenfalls selten so kreativ filmisch verarbeitet gesehen.

Doch Vigalondo spielt nicht nur mit verschiedenen Genres, er variiert auch die Tonalität scheinbar nach Belieben. Mal könnte man hier fast schon eine romantische Komödie vermuten, mal eine absurde, schwarzhumorige Farce über die Irrungen und Wirrungen des Lebens. Doch Vigalondo wechselt schließlich von einem leichtfüßigen und warmherzigen Tonfall zu etwas weit Ernsterem. Hier gibt es besonders eine überraschende Charakterwandlung, die durch ihre Apruptheit leider ein wenig an Glaubwürdigkeit einbüßt. Ab einem gewissen Punkt hat Vigalondo dann endgültig einen Fokus gefunden, wodurch „Colossal“ schließlich nicht mehr ganz so überraschend ist und ein wenig mit der Geduld des Zuschauers spielt. Auch eine entscheidende Erklärung für bestimmte Fähigkeiten der Figuren wirkt angesichts des sonst gezeigten großen Ideenreichtums arg plump und einfallslos.

Colossal - Das Monster
Colossal – Das Monster © Universum

Am Ende überwiegen hier aber klar die positiven Eindrücke, so originell und eigenwillig ist „Colossal“. Nicht unerwähnt darf die herausragende Effektarbeit bleiben, denn gerade angesichts des sehr knappen Budgets von gerade mal 15 Millionen Dollar sehen die Kreaturen und die Interaktion mit ihrer Umwelt enorm glaubwürdig aus. Diese sparsam eingestreuten Momente müssen sich hinter Filmen wie „Pacific Rim“ keineswegs verstecken. Dazu kommen noch zwei starke Darstellungen von Hathaway und Jason Sudeikis. Gerade letzter überrascht hier mit einer facettenreichen Darstellung, die man angesichts seiner zahlreichen Komödien nicht unbedingt erwartet hätte. Aber auch Hathaway, die sich laut eigener Aussage in einem „kreativen Niemandsland“ befunden und nach ungewöhnlichen Stoffen à la „Being John Malkovich“ gesucht hat, liefert hier eine ihrer besten Darstellungen. Ihre Figur Gloria ist angesichts Alkoholsucht und beruflicher Erfolglosigkeit ein ähnliches Wrack wie Hathaways gebrochenes menschliches Wrack in „Rachels Hochzeit“ und macht Hoffnung auf weitere wagemutige Rollen der Oscar-Preisträgerin.

Thematisch ist „Colossal“ durchaus ähnlich gewichtig wie seine Monster, jedoch zeigt der Film seine Stärke darin, nie eine große Sache daraus zu machen und prätentiös zu wirken. Sicher mag Vigalondos Film gewisse Schwächen haben, so fehlt es letztlich etwas an Tiefe und Fokus. Seine exzentrische Art und seine Unberechenbarkeit machen ihn aber nicht nur sehenswert, sondern auch erstaunlich liebenswert.

Bild:

Colossal - Anne Hathaway spielt Gloria
Colossal – Anne Hathaway spielt Gloria © Universum

Das digital aufgezeichnete Bild von „Colossal“ überzeugt auf Blu-ray durchweg. So zeigen sich kontrastreiche und gesättigte Farben, die aber nie an Natürlichkeit einbüßen. Besonders gefallen auch die sehr hohen Schärfe- und Detailwerte, die auch in dunklen Bereichen überzeugen. Wirkliche Schwächen erlaubt sich diese starke Umsetzung nicht.

Ton:

Ebenso stark wie die Bildqualität erweist sich auch die akustische Umsetzung. Hier kommt es immer wieder zu Szenen mit großem Dynamikumfang und starken Surround-Momenten. Auf den umliegenden Lautsprechern finden sich so nicht nur atmosphärische feine Geräusche, sondern auch präzise platzierte Effekte, die für große Räumlichkeit sorgen. Auch der Subwoofer kommt in den entsprechenden Momenten nicht zu kurz. Klarheit und Verständlichkeit der Dialoge überzeugen ebenfalls.

Extras:

Als durchaus einsichtsreich zeigt sich das einzige Extra der Blu-ray, eine 20 minütige Featurette. Leider kommen hier nur die üblichen Trailer dazu.
Featurette: Behind the Scenes (20:31 Min.)
Trailer (01:47 Min.)
Trailershow

Blu-ray Wertung
  • 7/10
    Film - 7.0/10
  • 9/10
    Bild - 9.0/10
  • 9/10
    Ton - 9.0/10
  • 4/10
    Extras - 4.0/10
7/10

Kurzfassung

„Colossal“ ist ein bemerkenswert exzentrischer und origineller Genrehybrid, der voller Überraschungen steckt.

Fazit:

Menschliches Drama trifft auf Farce trifft auf aufwändigen Monsterfilm: Nacho Vigalondos „Colossal“ lässt sich nicht kategorisieren und gehört zu den originellsten und irrwitzigsten Filmen des Jahres. Ohne Schwächen ist dieser Film nicht, aber seine Eigenwilligkeit und inszenatorische Leidenschaft überwiegen manches Problem.


von Florian Hoffmann

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