Anon – Blu-ray Kritik: Totale Überwachung

Amanda Seyfried in Anon © 2018 Koch Films

Die Kritik:

Anon Blu-ray Cover
Anon Blu-ray Cover © 2018 Koch Films

Andrew Niccol hat sich nun seit bereits über 20 Jahren einen Namen als technologie- und gesellschaftskritischer Filmemacher gemacht, der mit überhöhten Konzepten geschickt gegenwärtige Missstände anspricht. Auch „Anon“ ist hier keine Ausnahme, denn hier entwirft Niccol ein beängstigendes, nicht genau präzisiertes Bild einer Zukunftswelt, in der es keinerlei Anonymität oder Privatsphäre mehr gibt. Jeder Mensch ist mit einer Cloud namens „Äther“ verbunden und sofort durchleuchtbar – die gesamte Biografie, jede Erinnerung ist jederzeit für jeden Menschen abrufbar. Das weckt deutliche Erinnerungen an die „Black Mirror“-Episode „The Entire History of You“, jedoch bleibt Niccols Film zu kühl, distanziert und unnahbar, um wirklich zu packen.

Niccol hat mit seinen dystopischen Zukunftsvisionen wie „Gattaca“, „Simone“ und „In Time“ bereits ähnliche Themen angeschnitten. Auch in „Anon“ geht es um eine nicht genau beschriebene Welt, die als steril, kühl und glatt präsentiert wird. Kriminalität ist in dieser absoluten Überwachungsgesellschaft so gut wie nicht existent, jedoch stößt der Polizist Sal Frieland (Clive Owen) auf eine Reihe von rätselhaften Morden, die scheinbar miteinander verbunden sind. Wer der Mörder ist, kann tatsächlich nicht über die gewohnten gespeicherten Dateien ermittelt werden, der Äther scheint gehackt worden zu sein. Bei Frielands Ermittlungen stößt er schließlich auf eine junge mysteriöse Frau (Amanda Seyfried), die keine Persönlichkeitsinformationen offenbart und damit quasi ohne Identität ist. Das omnipräsente und perfekte Überwachungssystem scheint einen Riss bekommen zu haben.

Clive Owen in Anon
Clive Owen in Anon © 2018 Koch Films

Die Prämisse von „Anon“ ist überaus spannend und lässt die Fantasie angesichts großer erzählerischer Möglichkeiten spielen. Jedoch bleibt „Anon“ nahezu die gesamte Laufzeit auf überraschend trockenem und wenig mitreißendem Niveau. Mit großer Stringenz zeichnet Niccol hier ein völlig entmenschlichtes Szenario, in dem sich die Figuren passend monoton, ohne wirkliche Gefühle nahezu roboterhaft hindurchbewegen. Man spürt dem Film zu jeder Sekunde seine Ambition an und hat auch den Eindruck, dass er thematisch und ästhetisch exakt wie konzipiert gelungen ist. Doch leider fällt der eigentliche Detektiv-Plot stark ab und kann kaum eine wirklich geheimnisvolle und spannende Stimmung etablieren. Die große erzählerische Überraschung bleibt hier leider aus, wodurch der Film recht schnell eher frustriert als packt.

Das liegt leider auch seinen Figuren, die nie mit wichtiger Tiefe und Dimension ausgestattet werden. Clive Owen schaut wie gewohnt misstrauisch daher, jedoch ist auch seine Figur so sediert und anonym gehalten wie alle anderen Charaktere. Das mag so gewollt sein, dadurch bleibt der Film aber auch sehr monoton. In ästhetischer Hinsicht ist „Anon“ durchaus interessant und gelungen umgesetzt. Der Stilwille ist enorm hoch, überall dominieren glatte Oberflächen, Glas Metall, Holz, alles ist minimalistisch und steril gehalten. Das urbane Bild, das der Film präsentiert, ist ebenfalls anonym gehalten und könnte jede amerikanische Metropole darstellen (gedreht wurde hauptsächlich in Toronto). Werbung erscheint auch nicht mehr in analoger Form, sondern für jeden Menschen personalisiert auf Flächen großformatig projiziert – alles nur sichtbar aus dem eigenen VR-Blick heraus.

Clive Owen und Amanda Seyfried in Anon
Clive Owen und Amanda Seyfried in Anon © 2018 Koch Films

Als interessanten visuellen Kniff wechselt Niccol und Kameramann Amir Mokri immer wieder aus der subjektiven in die außenstehende, filmische Perspektive. Das wird durch den Wechsel des Bildformats immer wieder gelungen unterstrichen, während die POVs auch immer vollgepackt sind mit meist schriftlichen Inhalten. Die Kamera ist stets statisch, präsentiert genau gewählte Perspektiven, die oft selbst Überwachung andeuten. Etwas schade ist jedoch, dass Niccol die Kamera auch in der subjektiven Perspektive stets perfekt und in gleichmäßiger Geschwindigkeit gleiten und schwenken lässt. Das unterstreicht zwar die mechanisiert-entmenschlichte Perspektive, wirkt aber in seinem Perfektionismus dann zu offensichtlich unrealistisch.

Niccol inszeniert diesen Film also überaus durchdacht und mit höchster visueller Präzision. Auch inhaltlich bietet „Anon“ viel Futter zum Nachdenken und hohes Potential, auch wenn das Grundkonzept in seinem technophoben Denken vielleicht zunehmend durchschaubar und letztlich auch etwas eintönig wird. Schade, denn hier war mehr drin.

Bild:

Passend zum Film bietet die Blu-ray ein bestechend scharfes und detailreiches Hochglanzbild, das in qualitativer Hinsicht kaum Wünsche offen lässt. Ebenso stark sind die herausragenden Kontraste und die sehr tiefen Schwarzwerte. Farblich präsentiert sich der Film auf bewusst eher reduziertem Niveau, was in der Blu-ray-Umsetzung sehr gut zur Geltung kommt. Bildfehler bleiben bei diesem nahezu makellosen Bild aus.

Ton:

An sich präsentiert sich die akustische Umsetzung der Blu-ray passend reduziert. Der Film ist oft auf stille Momente fokussiert, die die Sterilität des Geschehens gut akzentuieren. Dialoge und Stimmen ertönen in bester Klarheit, während auch atmosphärische Geräusche immer wieder ihren Weg auf die Surroundsprecher finden. Stellenweise überrascht die Tonspur dann aber immer wieder mit gewaltiger Dynamik und druckvollen Momenten, die man so vielleicht nicht erwartet hätte.

Extras:

Auch wenn die Blu-ray keinerlei Blicke hinter die Kulisse bereithält, überzeugen zumindest die Interviews und vor allem die interessante Podiumsdiskussion mit Andrew Niccol beim Filmfest München. Hinzu kommen lediglich die obligatorischen Trailer.
Interview mit Amanda Seyfried (16:36 Min.)
Interview mit Clive Owen (11:14 Min.)
Interview mit Andrew Niccol (05:41 Min.)
Andrew Niccol beim Filmfest München (49:21 Min.)
Trailer (01:54 Min.)
Teaser deutsch (01:12 Min.)
Teaser englisch (01:11 Min.)
Trailershow

Blu-ray Wertung
  • 6/10
    Film - 6.0/10
  • 9/10
    Bild - 9.0/10
  • 9/10
    Ton - 9.0/10
  • 7/10
    Extras - 7.0/10
7/10

Kurzfassung

Interessantes Science-Fiction-Konzept trifft auf eine etwas zu konventionelle und wenig packende Detektivgeschichte.

Fazit:

Ein interessantes Science-Fiction-Konzept trifft auf eine etwas zu konventionelle und wenig packende Detektivgeschichte. Andrew Niccol verschenkt mit seinem visuell präzise durchdachten Film viel Potential, der letztlich leider arg kalt lässt.


von Florian Hoffmann

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